Dort, wo das LäuferhERZ schlägt

01.08.2023

Warum dich ein Gassenlauf im Gebirge an deine Grenzen bringt.

Was sind schon die zehn Meilen von Bern oder die Halbmarathons in Leipzig, Berlin, auf dem Fischland Darß-Zingst oder in Hamburg, die ich in den letzten zwölf Monaten lief? Nein, Großrückerswalde im Erzgebirge heißt die Herausforderung – sowohl für echte Lauf-Junkies als auch ambitionierte Freizeitsportlerinnen und -sportler. Der Großrückerswalder Gassenlauf hat es in sich, ist aber jede Anstrengung wert. Nach oben genannten Wettkämpfen sah ich mich dieser Strecke von 10,4 Kilometern bergauf mehr als gewappnet. Wie es lief? Lest selbst.

Dieses Kribbeln im Bauch, wenn man sich die Laufschuhe schnürt, an der Startlinie steht. Wer nickt zustimmend schmunzelnd bei diesen Worten? Keine Sportart verbindet so viele Menschen und Altersgruppen wie das Laufen. So auch im Erzgebirge.

Diese Leidenschaft fürs Laufen hat die beiden Initiatoren Roy Löser und den heutigen Bürgermeister von Großrückerswalde André Rösch vor 13 Jahren dazu bewogen, aus einem Trainingslauf des dortigen Fußballvereins ein Lauf-Event zu kreieren. Die Begeisterung und Teilnehmerzahlen wachsen Jahr um Jahr. So starteten bei dieser 13. Auflage im Jahr 2022 in allen Kategorien aus dem Gassenlauf Kids für die Kleinen, den Walkern, dem „Gassenlauf light“ mit 6 Kilometern und dem „Gassenlauf “ insgesamt etwa 600 sportlich Aktive. Die „Premium-Strecke“ mit 10,4 Kilometern ist das Highlight des Lauf-Events.

Der Wettergott muss Läufer sein, denn entgegen der Regenprognose strahlte das Erzgebirge an diesem frühen Abend in goldenem Licht. Aber auch alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer strahlten, man lächelt sich an, ohne sich zu kennen. „Du bist eine von uns“ mit deiner Startnummer am Shirt. Laufen verbindet.


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Gibt es ein Zeitlimit? Die Antwort von Roy Löser mit einem Schmunzeln – „schaffst du locker“. Und falls nicht, sammelt dich die Feuerwehr als Besenwagen ein. Okay, denke ich und wir lachen.

Startaufstellung. 18:30 Uhr. Bei manchen kann man das Adrenalin förmlich greifen, andere stellen entspannt noch ihre Sportuhr ein. Dann begrüßt der Sprecher die rund 140 Läuferinnen und Läufer zu diesem letzten Lauf an dem Abend. Er motiviert und spricht allen, die jetzt an der Startlinie stehen, seinen vollen Respekt aus, sich diesem Lauf zu stellen: „Respekt an jeden von euch. Die Strecke ist extrem anspruchsvoll, bergauf mit ordentlich Höhenmetern und auf den letzten Kilometern zum Ziel erwartet euch Gegenwind.“

Nach vier Kilometern ist mir relativ klar, ankommen ist das Ziel. Das Läuferfeld vor mir ist in Sicht. Doch was ist das? Plötzlich ist die Feuerwehr hinter mir. Ist das jetzt der Besenwagen? Sammeln die mich jetzt ein? Oder doch meine Eskorte? Diese Gedanken wirbeln mir durch den Kopf, sind aber schnell vergessen bei dem Lärm, den ich vernehme.

Da, die erste Fanmeile: Wasser wird gereicht, La-Ola-Wellen, die Läuferinnen und Läufer abgeklatscht. Das Läuferfeld ist schon durch – ich werde als Letzte genauso gefeiert wie als Erste. Die Menschen motivieren: „Lass dich von der Feuerwehr nicht aus der Ruhe bringen, Respekt vor der Strecke und deiner Leistung.“ Das gibt Kraft. Die Feuerwehr ist noch immer in gebührendem Abstand zu mir.

Endlich: Ich sehe das Windrad auf dem höchsten Punkt von Großrückerswalde, das Ziel. Auf den letzten 400 Metern Steigung überholt mich jetzt „meine“ Feuerwehr mit Signalhorn, die Kameraden winken, lachen. Ich bin im Ziel – nach 1:27 Stunden. „Du bist unsere Siegerin der Herzen. Du hast dich nicht aus der Ruhe bringen lassen, Respekt.“ So empfängt mich das Team der Feuerwehr.

Ich bin ein bisschen gerührt, die Endorphine tanzen. Lachend frage ich die Kameradinnen und Kameraden: „Bekomme ich ein Foto mit euch, wenn ihr schon meine Eskorte wart?“ „Na klar.“ Bilder sagen manchmal mehr als Tausende Worte. Mein Fazit: Eine landschaftlich tolle, extrem anspruchsvolle Strecke mit unheimlich viel Herzenswärme der Menschen an und auf der Strecke. Bei diesem Lauf geht es nicht darum, den ersten Platz zu belegen. Bei diesem Lauf geht es um den Spirit des Erzgebirges, um Zusammenhalt, um das Wir-Gefühl. Dieser Lauf wird unvergessen bleiben und vielleicht trete ich am 1. September 2023 gleich noch einmal an – zum 14. Großrückerswalder Gassenlauf. Sehe ich dann einen oder eine von euch?

Text: Doreen Ludwig
Fotos: Dirk Dießel